Der kleine Prinz lebt

Der kleine Prinz lebt

Zum 100. Geburtstag des terre des hommes-Namensgebers
Antoine de Saint-Exupéry

Beim Start in ein neues Jahrhundert konnten wir den hundersten Geburtstag von Antoine de Saint-Exupéry begehen. Sein Name hat den Klang von Wellen, die ans Ufer rollen: Antoine de Saint-Exupéry. Pilot. Erfinder. Schriftsteller. Humanist.

Am 29.Juni 1900 wurde er in Lyon als Abkömmling eines der ältesten französischen Grafengeschlechter geboren. Er besuchte die Jesuitenschule und leistete danach seinen Militärdienst in einem Fliegerregiment ab. Dabei entdeckte er seine Leidenschaft: die Fliegerei. 1926 übernahm er als Pilot die Linie Toulouse – Casablanca. Bereits zwei Jahre später wurde er Direktor der Luftpost von Buenos Aires. 1935 stürzte er zusammen mit seinem Mechaniker über der ägyptischen Wüste ab. Im zweiten Weltkrieg emigrierte Saint-Exupéry nach der Besetzung Frankreichs in die USA. Als die Truppen der Alliierten 1942 in Nordafrika landeten, schloss sich Saint Exupéry der Armee General de Gaulles an. Am 31.Juli 1944 startete er mit einem Aufklärungsflugzeug von der Insel Korsika aus. Es wurde sein letzter Flug, von dem er nicht zurückkehrte.
Bekannter als er selbst wurde der Held einer seiner Erzählungen, der Kleine Prinz, das Kind von einem anderen Stern, das dem Autor bei einer Bruchlandung mit dem Flugzeug in der Wüste begegnet und ihm die Augen für die wirklich wichtigen Dinge des Lebens öffnet. „Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. … Die Augen sind blind. Man muss mit dem Herzen suchen.“ Und weil das vielen Erwachsene sehr schwer fällt, steht für Antoine de Saint-Exupéry fest: „Kinder müssen mit großen Leuten viel Nachsicht haben.“1939 veröffentlichte Antoine de Saint-Exupéry seine Erlebnisberichte als Flieger unter dem Titel terre des hommes. In Deutschland erschien das Buch als Wind, Sand und Sterne. Als er gefragt wurde, was für ihn mehr zähle, die Fliegerei oder das literarische Werk, hatte er geantwortet: „Ich lasse keine Aufteilung in Fächer gelten, noch weniger eine Gegenüberstellung. Fliegen oder Schreiben, das ist für mich eins. Wichtig ist, dass man handelt und seinen jeweiligen Standort bestimmt. Der Flieger und der Schriftsteller vereinigen sich im Prozess der Bewusstwerdung.“ Antoine de Saint-Exupéry war ein Mensch, der zum Himmel steigen musste, um die Erde der Menschen zu entdecken. Von diesen Entdeckungen berichtet er in seinen Büchern. Und mittendrin dieser Satz:
„Mensch sein, das heißt Verantwortung fühlen, sich schämen angesichts einer Not,
auch wenn man offenbar keine Mitschuld an ihr hat,
stolz sein auf den Erfolg der anderen,
fühlen, dass man mit seinem eigenen Stein
mitwirkt am Bau der Erde.“
Saint-Exupéry wollte eine Erde der Menschlichkeit, eine terre des hommes. Als Edmond Kaiser 1959 in Lausanne eine Kinderhilfsorganisation gründete, benannte er sie nach diesem Buch: terre des hommes. Erde der Menschlichkeit. Der Name ist Programm, ist Vision. Eine konkrete Utopie, ein Traum, der unerreichbar ist, und doch Wirklichkeit werden kann, indem wir so tun, als könnten wir ihn erreichen. Handelnd.
Seit über dreißig Jahren haben sich auch in Deutschland Menschen unter diesem Namen zusammengeschlossen: als Hilfswerk, als Anwalt der Rechte von Kindern, als entwicklungspolitische Basisbewegung und Bürgerinitiative. Das Ziel – nach wie vor: eine Erde der Menschlichkeit. Dafür setzt sich terre des hommes ein: unabhängig und überparteilich. Und doch wird Partei ergriffen: für die Kinder in dieser Welt. Denn Menschsein heißt, Verantwortung fühlen.
Diesen Worten fühlt sich die Kinderhilfsorganisation terre des hommes verpflichtet. Darum greift sie den 100. Geburtstag Saint-Exupérys auf, um auf seine Gedanken hinzuweisen und an sie zu erinnern. Gerade sein Werk „Der kleine Prinz“ hat viele junge wie ältere Leserinnen und Leser zum Fragenstellen und Nachdenken ermutigt, nicht zuletzt auch Autorinnen und Autoren. Eine Reihe von ihnen habe ich gefragt, was Der Kleine Prinz in ihnen angestoßen hat. So kamen Kindheitserinnerungen, Reportagen, Geschichten, Essays, Reflexionen und Gedichte zusammen. So unterschiedlich wie die Autorinnen und Autoren sind auch ihre Texte. Zusammen bilden sie ein farbenfrohes Kaleidoskop. Eines aber ist allen Texten gemeinsam. Wer sie gelesen hat weiß: Der kleine Prinz lebt.Dieses Buch versammelt Texte zum Lesen und Vorlesen, Texte für junge und ältere Leserinnen und Leser: nachdenkliche und lustige, dramatische und verträumte, freche und tiefsinnige. Sie wollen dazu anregen, dass die Leserinnen und Leser fragen, was der kleine Prinz bei ihnen selbst ausgelöst hat. Und vielleicht motivieren die Texte sogar dazu, eigene Kleine-Prinz-Geschichten zu erzählen.

Alle Autorinnen und Autoren haben auf ihr Honorar verzichtet und stellten es der Arbeit von terre des hommes zur Verfügung. Für den Bau einer Erde der Menschlichkeit. Für eine terre des hommes.

Horlemann Verlag
Das Buch kann über terre des hommes bezogen werden.
168 Seiten, 9,80 €

Hans-Martin Große-Oetringhaus
Schriftsteller, Kinder- und Jugendbuchautor, Medienpädagoge

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