Duisburg und ich

Duisburg und ich

In diesem Buch stellt der Autor Duisburg vor, wie es ihn persönlich angeht. Kein Hochglanzportrait, keine Abrechnung. Stattdessen schildert er, wie er hier lebt, was er sieht, was ihn freut und was ihn stört an dieser Stadt: informationsreich, humorvoll, unterhaltend.

(AvlosVerlag). Siegburg 1998 120 Seiten, Paperback s/w Abbildungen 4,90 €

Hier ein kurzer Auszug:
Pommes mit Mayo, Currywurst und Sonnenuntergang
„Die Pommes sind da am besten!“ Davon ist Lukas fest überzeugt. Mit da meint mein Sohn den DSV 98. Damit ist der Duisburger Schwimmverein am Bertasee gemeint. Lukas meint allerdings nicht den Verein, sondern das Restaurant, das sich in seinem Vereinshaus befindet. Genaugenommen hat er auch nicht das Lokal vor Augen, sondern ein unscheinbares Fenster zur Seeseite. Klopft man an die Scheibe, wird es von Innen geöffnet und man blickt in die Dunstschwaden der Küche. Damit auch Kinder klopfen können, ist eigens eine kleine Holzstufe unter dem Fenster angebracht. So können auch die kleinsten Hände bis ans Fenster reichen und sich bemerkbar machen.
„Zwei mal Pommes“ sage ich. „Mit Mayo.“
„Und zwei Currywürste“, fügt Lukas hinzu. Hier schmecken sie nämlich am besten, meint er. Das liegt allerdings weder am DSV 98, und genauso wenig an der Küchenkunst der Frauen hinter der Fensterscheibe. Es liegt vor allem daran, dass wir zuvor geschwommen sind. Das macht hungrig. Und dann schmecken selbst mir die Pommes, für die ich gewöhnlich gar nicht zu haben bin.

Die Fensterscheibe ist längst wieder von innen geschlossen worden, das sicherste Zeichen, dass die Pommes Frites jetzt in das siedende Fett geworfen und die Würste auf dem Rost noch einmal gewendet und dann zerkleinert werden. Dass beides hier besonders gut schmeckt liegt aber nicht allein am Hunger. Es ist das Ambiente. Wo in Duisburg sonst kann man beim Pommes-Essen an das Ufer eines Sees sitzen, den Blick über das silberne Wasser gleiten lassen, dem Schwanenpaar zusehen oder dem einsamen Angler im Boot? Wo die Fische durch die Luft springen sehen und leise aufplatschen hören und dabei die Spiegelstreifen der Sonne beobachten, die sich im Westen bereits dem Horizont nähert? Eine Postkartenidylle, die kitschig und unwirklich wirken würde, wenn das Fenster nicht wieder aufginge und eine Hand mit Pommes Frites und einem ordentlichen Schlag Mayonnaise sichtbar würde. Die Schale wird auf dem Fenstersims abgestellt. Im nächsten Augenblick wird die zweite dazugestellt. Jetzt noch die Currywürste. Herbert Grönemeyer hat einst sein Lied von der Currywurst auch hier im Stadion gesungen, das man auf der anderen Seite des Sees zwischen den Bäumen erkennen kann.
Lukas und ich tragen die Schälchen ans Ufer und ich ziehe ein Fläschchen Bier zwischen nassen Badehosen und Handtüchern aus dem Rucksack. Das Schwanenpaar ist schon fast vorbeigeschwommen und zieht eine langgezogene Wellenlinie hinter sich her. Ästhetik pur.
Bei uns am Ufer ist Ästhetik jetzt allerdings nicht gefragt. Hier sind die häuslichen Tischmanieren außer Kraft gesetzt. Befreit vom Übermaß an störendem Essbesteck greift jeder zur kleinen Plastikgabel oder nimmt gleich die Finger. Daumen und Zeigefinger fassen die krossen Kartoffelstäbchen, tupfen sie in den wabbeligen Mayonnaiseklecks und schieben sie in den Mund. Ein paar Minuten Freiheit von jeglicher Etikette.
Ganz klar, Fritten und Wurst schmecken hier am besten! Und das liegt weder am fettglibberndem Mayonnaiseklecks oder an der kalt gewordenen Currywurst. Wir schmecken die Abendstimmung und die letzten Sonnenstrahlen, die hinter den Pappeln verschwinden. Danach streifen wir die fettigen Finger im Gras ab, das langsam feucht zu werden beginnt.

Hans-Martin Große-Oetringhaus
Schriftsteller, Kinder- und Jugendbuchautor, Medienpädagoge

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